Im vergangenen Jahr um diese Zeit war im Landesmuseum eine bauhaus-Ausstellung zu sehen.Der bauhaus-Weihnachtsbaum ist uns erhalten geblieben, und unser kleines Team von der Kunstvermittlung hat mit Begeisterung Anhänger für diesen Weihnachtsbaum bemalt. Jeden Tag zeigen wir einen weiteren Anhänger, so dass der Weihnachtsbaum zum Adventskalender wird. Auf den Anhängern zu sehen sind natürlich Kunstwerke, die uns am Herzen liegen. Nadja Berghoff setzt sie jeden Tag auf Instagram in Szene. Sie sind gar nicht auf Instagram? Macht nichts – die Anhänger gibt es auch hier zu sehen. Und falls Sie Zeit haben, können Sie unsere Fortsetzungsgeschichte verfolgen. Da ist nämlich ein kleiner Jemand oft allein im Museum unterwegs …
Kein Weihnachtsmärchen
Es war einmal ein kleines Männlein, welches sein Dasein in einem Museum fristete. Dort führte es ein angenehmes Leben, denn es hatte die besondere Fähigkeit, in die Bilder hineinzuklettern. War es hungrig, so hüpfte es mit Schwung hinauf in ein Stilleben voller Früchte. Natürlich aß es dann
von der hinteren Seite des Tellers, damit vorne alles tadellos blieb. Es wollte doch gerne seine schöne Wohnung behalten.
War ihm langweilig, so schlüpfte es in eine Vitrine und drehte eine Birne los, so dass alsbald ein Mensch kam und fluchend die Birne austauschte. „Heda!“, rief dann das Männlein, „Willst du mir nicht guten Tag sagen?“ Doch niemand sagte ihm „Guten Tag“ oder „Guten Appetit“ – offenbar
war es für alle Menschen unsichtbar. Auch in den Bildern gab niemand Antwort. Die Figuren schienen alle dermaßen fantasielos zu sein, dass sie nicht mit einem Männlein rechneten, welches sie in ihrem Bild besuchen wollte.
Es streute Staub, es verstellte die Klimageräte, es vertauschte die kleinen Würfelchen mit den Objektnummern (ein mühevolles Geschäft), doch so oft auch ein fluchender Mensch – mal männlich, mal weiblich – auftauchte, es wollte niemand das Männlein bemerken. „Das kann nicht sein!“, sagte es sich, schnürte sein Bündel und machte sich auf den Weg. Irgendwo müsste es einen Kameraden finden können. Gerade war es von einem Obstteller geklettert, da fand es sich schon in einem fremden Land wieder.
Dort stand in einer weiten Landschaft ein Turm, der aussah wie mit Bauklötzchen errichtet. Brille auf! Ah, das war der Turm von Babel, Arbeitselefanten, Schiffe, Kräne und so weiter. Alle sprachen durcheinander, und niemand erwiderte des Männleins Grüße. „Buenos dias!“, schrie es, und „Hello!“, „Bonjour!“, „Hej!“ und „Shalom!“. Nun gut, dachte es sich. Es gibt ja noch mehr Bilder in diesem Haus.
Rüber zum anderen Eck lief es, rauf die Treppe, rein die Tür: Ja, diesen Raum mochte es gerne. Oft hüpfte es in ein Wüstenbild, wo es schön warm war. Denn ganz ohne sein Zutun war es hier oben oft empfindlich kühl. Im Bild war das Kamel wie immer anwesend und würdigte das Männlein keines Blickes.
Nachdem es sich aufgewärmt hatte, sauste das Männlein zu einem seiner Lieblingswerke, einem großen, bunten Fenster, um an den herrlichen Rosen zu riechen. Der Duft tat ihm gut, das Geplätscher des Brunnens beruhigte sein Gemüt. Leises Lachen und ferne Musik drangen an sein Ohr. Das Männlein planschte ein wenig und beschloss dann, in den Zoo zu gehen.
An den Vitrinen entlang spazierend grüßte es die Libelle, einen Karpfen und Kraniche. Und dann kam eines seiner liebsten Gehege: Majestätisch schwammen fünf Schwäne einen dunklen Fluss entlang, ruhig und ernst. Das Männlein konnte gut verstehen, dass die Schwäne zu sehr damit beschäftigt waren, elegant zu wirken, um so ein unscheinbares Männlein zu bemerken. Es wurde ein wenig melancholisch.
In solcher Stimmung hüpfte es am liebsten in ein Gemälde mit herbstlichen Bäumen. Den Gemüsegarten hinter dem Zaun hatte es oft aufgesucht, obwohl die Früchte alle abgeerntet waren. Nur der prachtvolle rote Mangold leuchtete in der Dämmerung. Das Männlein kauerte sich zwischen die glänzenden Blätter und fragte sich, warum der Maler den Mangold nicht vor den Zaun gesetzt hatte, so dass die Menschen ihn auch sehen konnten. Und über dem Gedanken, dass es endlich malen lernen sollte, schlief es ein …
Text: Ellen Löchner
Anhänger: Nadja Berghoff