Kein Weihnachtsmärchen (Teil 3)

Falls Sie die ersten beiden Teile des „Kein-Weihnachtsmärchens“ verpasst haben finden Sie ihn hier:
Kein Weihnachstmärchen Teil 1 
Kein Weihnachtsmärchen Teil 2

Und so geht die Reise des Männchens durchs Museum weiter: 

Einen Kameraden zum Unterhalten und Spielen zu finden, würde ihm das jetzt gelingen? Es machte sich auf in seine zweitliebste Abteilung, wo es viele Figuren in seiner Größe gab. Sie waren aus Porzellan oder Keramik hergestellt und das Männlein beneidete sie manchmal ein bisschen um ihre ausgefallene, prächtige Kleidung – sofern sie nicht ganz nackt waren. Während es so zwischen den Vitrinen umher schlenderte, fiel sein Blick auf ein Gemälde in ungewöhnlichem ovalem Format. Das hatte er ja noch nie gesehen! Der Mann auf dem Bild hatte ihm zugezwinkert! Und jetzt bemerkte er auch warum: Unter dem Tisch fütterte der Mann den Hund mit einem Keks. „Verrate mich nicht!“ hatte sein Augenzwinkern bedeutet, und das Männlein zwinkerte zurück. Dann hopste es ins Bild und setzte sich dem Hund in den Nacken. Pures Glück war zu fühlen, als die göttliche Hand das himmlische Manna in das feuchte Hundemaul legte. Das Männlein musste über die hündische Verzückung lächeln – Hunde waren ihren Menschen so sehr zugetan! Wuff!

 

Nanu? Mit einem Keks in der Schnauze kann man nicht „Wuff!“ machen. Das Männlein rutschte über das weiche Fell aus dem Gemälde heraus und machte sich auf die Suche. „Wuff!“, kurz und trocken, war zu hören. Das Männlein bog um ein prächtiges Möbelstück herum und sah den Urheber: Einen Mops, der possierlich die Pfote hob. Ganz schön schlau, so ganz ohne Worte den Menschen mitzuteilen, dass man beachtet, gefüttert und gestreichelt werden wollte! Der Mops war überall rund und weich, ein bisschen mopplig (ob das Wort von „Mops“ kam?) und sehr niedlich. Schade, dass er da oben in der Vitrine fest saß.

Jetzt war der Forscherdrang des Männleins geweckt: Gab es noch andere Tiere, die es streicheln konnte? Treppe rauf und hinein in den Saal mit den vielen eng beieinander hängenden Gemälden. Es war noch nicht weit gekommen, da hörte es schon eifriges Kläffen und Hecheln. Neben einem kleinen Mann  (also, DER hatte auch tolle Kleider an!) sprang ein verspieltes Hündchen in die Höhe. Immer wieder hob es seine Pfote und leckte an der Hand seines Herrchens. Das Männlein sauste hoch ins Bild und freute sich daran, wie der kleine Hund zwischen ihm und seinem Herrchen hin und her rannte und an beiden hochsprang. Nach einer Weile hatte es genug von dem Gewusel und machte sich auf den Weg in eine große, ruhige Abteilung, die es fast immer für sich hatte. Quer durchs Haus, die Treppe rauf und dann hinein in den Saal mit der hohen Decke und dem sanften Licht.

Die riesengroße schlanke Frau aus schwarz patinierter Bronze begrüßte ihn heute besonders vertraulich: „Na, komm mal her, du Süßer!“, rief sie. Das Männlein stutzte. Die Dame klopfte sich mit ihrer Hand aufs Knie. Das Männlein sah sich um und blickte in vier glänzende Augenpaare, unter denen vier rosarote Zungen wippten. Die ganze Meute war ihm gefolgt. Die große Kniende ließ sich auf beide Knie nieder, und alle Tierchen sprangen auf ihren Schoß, um sich streicheln zu lassen! Das Männlein überlegte nicht lange und sprang mitten hinein in das Durcheinander aus Pfoten, Ohren und warmem Fell. War das kuschelig!

Als das Männlein erwachte, lag es in der Armbeuge der großen Dame, die wie immer elegant auf einem Bein kniete als sei nichts gewesen. Das Männlein bemerkte, dass sie ganz nackt war bis auf ein Tuch, das über ihren Oberschenkel drapiert war. Die ganze würdevolle Haltung und diese merkwürdige Kleidung oder eher Nicht-Kleidung erinnerten es an andere Figuren, die es hier im Museum schon gesehen hatte. Wo waren sie nur? Nachdenklich hopste das Männlein, eine nach der anderen nehmend, die Treppenstufen hinunter und versuchte, sich zu erinnern. Im Erdgeschoss betrat es einen Raum mit vielen Stühlen. Sein Blick traf den eines ansehnlichen jungen Mannes. Obwohl da nur der marmorne Kopf zu sehen war, stellte sich das Männlein den jungen Mann als ganze Person vor – stattlich und in ein großes Tuch gehüllt, dessen eines Ende locker über die Schulter drapiert war. Wo hatte es das nur schon gesehen?