Gefolgt der Farbe Rot: Rundgang durch die Dauerausstellung

Zinnoberrot, wurde viele Jahrhunderte hindurch in der Sage als Drachenblut bezeichnet. Laut dieser Überlieferung, die schon Plinius nennt, sei Drachenblut aus dem Titanenkampf eines Elefanten mit einem Drachen hervorgegangen. Doch die edelsten Färbemittel haben mitunter eine wenig appetitliche Entstehungsgeschichte. Purpur, die alles überragende, wertvollste Farbe des Altertums, basiert beispielsweise auf Schneckenschleim. Aber auch Schildläuse, wie die Kermesläuse, die im Mittelmeerraum auf den Blättern der Kermeseiche leben, lieferten seit dem Altertum einen roten Farbstoff. Rot ist bis heute die auffälligste Signalfarbe, die in Gemälden sehr akzentuiert eingesetzt wird. Unser Rundgang führt Sie durch verschiedene Epochen und richtet Ihre Konzentration auf rote Schuhe, einen roten Apfel oder rotes Blut. Alles Symbole, die elementar für die Bildaussage sind.

Der Streifzug durch die Jahrhunderte beginnt in der rot gestrichenen Abteilung des Barock. Gemälde, Skulpturen, Möbel und Porzellane aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden zeugen von der 100jährigen Mainzer Blütezeit die nach den Zerstörungen des 30jährigen Krieges und dem Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 begann. Unter den Kurfürsten, den reichen Domherren und dem Adel wurden das Handwerk, die Architektur und die schönen Künste gefördert. Die beeindruckende Barocksammlung zeugt von diesem Boom. Die Abteilung zeigt gattungsübergreifend die damalige höfische Machtdemonstration und zugleich die Bedeutung von Mainz.

Ganz andere Ziele verfolgte man dagegen im 19. Jahrhundert. Die Bewegung des Jugendstils wollte durch die Verbindung von „Kunst und Leben“ alle Lebensbereiche durchdringen und mit der Idee eines „Gesamtkunstwerkes“ reformieren. Die sehr umfangreiche Sammlung von Jugendstilvasen aus Frankreich, etwa von Emile Gallé oder Daum Frères, beides die wichtigsten Glaskünstler der Zeit, zeigen beispielhaft den Formenreichtum und die Experimentierfreudigkeit etwa mit roten Gläsern und feinen Glasdekoren. Farbe wird nun auch losgelöst von ihrem Darstellungswert z.B. als Landschaftshintergrund eingesetzt, so wie im Falle des ikonischen Schwanenteppichs von Otto Eckmann.

Die berühmten Künstler wie Franz von Stuck, Max Beckmann oder Arnulf Rainer zeigen die überregionale Ausrichtung unserer Sammlung der Malerei des Jugendstils, der Moderne bis hin zur Gegenwart. Von Picasso bis Sigmar Polke sind in dieser Abteilung die verschiedensten Strömungen des 20. Jahrhunderts – von der gegenständlichen Malerei beispielsweise eines Hans Purrmann bis zur abstrakten Malerei des Informel eines Karl Otto Götz – vereint. Auch die Verwendung von Farbe hat sich im ausgehenden 20. Jahrhundert nun radikal verändert: Der Österreicher Arnulf Rainer verwendet rote, an Blut erinnernde Farbe, äußerst expressiv und trägt diese sehr pastos mit den eigenen Händen über einer Christusdarstellung auf. Keine andere Farbe könnte seine Emotionen so eindrücklich ausdrücken wie dieses Rot.

Text: Dr. Karoline Feulner