Käthe Kollwitz: Arbeitslosigkeit, 1909 © Brooklyn Museum

Das zivile Leben während des Ersten Weltkrieges

Im Ersten Weltkrieg verlor Käthe Kollwitz nicht nur ihren Sohn (22.10.1914), sondern sie erlebte und teilte auch das Leid der Zivilbevölkerung. Schon vorher war die soziale Spaltung in den Städten bedrückend gewesen, doch nun zehrten die Kriegsbemühungen die Bevölkerung in unfassbarer Weise aus. Die Frauen arbeiteten verzweifelt, um Geld zu verdienen, ihre Kinder zu ernähren, ihre Männer an der Front mit „kriegswichtigem Material“ zur versorgen. Wählen durften sie noch nicht. Was also sah Käthe Kollwitz, wenn sie auf die Straße ging, um Lebensmittel einzukaufen? Historiker Tobias Bast nimmt uns mit in ihren Alltag: 

Während des Ersten Weltkriegs 1914-1918 waren nicht nur die im Felde stehenden Soldaten, sondern auch die Daheimgebliebenen von schwerwiegenden Veränderungen betroffen.

Zu Beginn des Krieges wurde eine euphorische Stimmung beschrieben, die sich allerdings nicht durch die gesamte Bevölkerung zog. Besonders die Stadtbewohner und Bildungsbürger waren dem Krieg gegenüber positiv eingestellt. Sie vertrauten auf die Regierung, die davon ausgegangen war, ausreichend für den Krieg vorbereitet zu sein und den Feind nach kurzem Kampf besiegen zu können.

Diese Gruppe stellte allerdings nur einen kleinen Teil der Bevölkerung dar. Die meisten Menschen fürchteten sich vor den Kriegsfolgen. Hamsterkäufe und der Umtausch von Geld in Gold waren die Folge (*1).

Die deutschen Soldaten konnten anfangs zahlreiche militärische Siege erringen, sodass die Bevölkerung allmählich Vertrauen und Hoffnung schöpfte. Dies änderte sich jedoch mit der ersten Marneschlacht im September 1914. Diese kann als Zäsur angesehen werden, da hier der Vorstoß der deutschen Truppen gestoppt wurde und nun klar war, dass der Krieg viel länger dauern würde als geplant. Das war insofern höchst dramatisch, als nun die Vorräte an Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Kriegsgerät, sowie die Geldreserven knapp wurden. Innerhalb weniger Wochen verschlechterte sich die Lebenslage und die Stimmung der Menschen maßgeblich. Die täglichen Meldungen von gefallenen Soldaten beschleunigten diese Entwicklung noch weiter (*2).

Anstehen nach Brot während des Krieges 1914-18 © Bundesarchiv, Bild 183-R00012 / CC-BY-SA 3.0
Anstehen nach Brot während des Krieges 1914-18 © Bundesarchiv, Bild 183-R00012 / CC-BY-SA 3.0

Die eingeschränkte Lebensmittelversorgung betraf die Bevölkerung in den Kriegsjahren mit am schwersten. Ausschlaggebend für den sich stetig verschärfenden Mangel war die Abhängigkeit des Deutschen Reiches von Importen. Davon betroffen waren unter anderem Lebensmittel, Viehfutter und Düngemittel. Aufgrund der verhängten Blockade der Entente konnte während des Krieges nur noch ein Bruchteil der benötigten Mengen importiert werden. Die Folge waren steigende Preise und verordnete Sparmaßnahmen. Ab 1915 mussten immer mehr Lebensmittel durch Bezugsmarken rationiert werden. Die größte Not erlebten die Menschen schließlich im sogenannten Steckrübenwinter 1916/17, in dem sich die Versorgungslage durch Ernteausfälle noch weiter verschlechterte (*3).

Die Regierung des Deutschen Reiches wollte einen schnellen Sieg erzwingen, sodass zahlreiche Betriebe ihre Produktion einstellen oder einschränken mussten, um Rohstoffe für die Kriegsgüterproduktion einzusparen. In der Folge verloren zu Beginn des Krieges viele Menschen ihren Arbeitsplatz. Diese Entwicklung kehrte sich erst um, als immer mehr Arbeiter an die Front mussten und die Betriebe ihre Produktion auf kriegsrelevante Waren umstellten. Schnell entstand ein Arbeitermangel. Diesen Mangel versuchte man insbesondere durch den Einsatz von Frauen auszugleichen. Je nach Arbeitsbereich wurde auch auf Gastarbeiter, Kinder und Kriegsgefangene zurückgegriffen. In der Industrie konnten diese Arbeitskräfte jedoch nur schwer die im Felde stehenden Facharbeiter ersetzen, was sich negativ auf die Produktionsleistung auswirkte. Auch in der Landwirtschaft konnten die Erträge der Friedenszeit nicht erreicht werden, da auch hier an Arbeitskräften mangelte. Es mangelte allerdings auch an Düngemittel, Zugpferden, Wagen und Werkzeug, da diese zugunsten der Kriegsbemühungen beschlagnahmt wurden (*4).

Deutsche Arbeiter in einer Munitionsfabrik,1917 © LSE Library
Deutsche Arbeiter in einer Munitionsfabrik,1917 © LSE Library

Bereits vor dem Krieg war die Anzahl der arbeitenden Frauen stetig angestiegen. Diese Entwicklung setzte sich mit Kriegsbeginn fort. Um die fehlenden männlichen Arbeitskräfte zu ersetzen, mussten Frauen jedoch häufig eher härtere Arbeiten verrichten und waren meist auch längere Zeit am Arbeitsplatz als in Friedenszeiten. Trotzdem entschieden sich viele für einen Arbeitsplatz in industriellen Betrieben statt für die Landarbeit, weil sie so die Aussicht auf höhere Löhne hatten und die steigenden Lebensmittelpreise besser stemmen konnten. Die Frauen übernahmen eine wachsende Rolle im öffentlichen, wie auch im Familienleben. Nach Kriegsende, im November 1918, schlug sich diese veränderte Rolle erstmals auch in einem Wahlrecht für Frauen nieder.

Quellenangaben:

(*1) Vgl. Leonhard, Jörn; Bieck, Reinhard: 1914- „Auch Stimmung aus Angst und Abwarten“. In Deutschlandfunk (2014), URL: https://www.deutschlandfunk.de/erster-weltkrieg-1914-auch-stimmung-aus-angst-und-abwarten.694.de.html?dram:article_id=293444 (Abgerufen am 16.03.2021)

(*2) Vgl. Walter, Rolf: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart. Köln [u.a.] 42003 (Wirtschafts- und sozialhistorische Studien, Bd. 4), S. 133ff.

(*3) Vgl. Neitzel, Sönke: Weltkrieg und Revolution. 1914-1918/19. Berlin 2008, (Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, Bd. 3). S. 133ff.

(*4)  Vgl. Kruse, Wolfgang: Kriegswirtschaft und Kriegsgesellschaft. In: Bundeszentrale für politische Bildung (2013), URL: http://www.bpb.de/geschichte/deutschegeschichte/ersterweltkrieg/155311/kriegswirtschaft-und-kriegsgesellschaft (Abgerufen am 16.03.2021)

Text: Tobias Bast 

Titelbild: 
Käthe Kollwitz: Arbeitslosigkeit, 1909 © Brooklyn Museum